Start Der 152VO Modellbau Hydrodynamik Motorleistung und Geschwindigkeit

Motorleistung, Energiebedarf und Geschwindigkeitszuwachs

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Wie wir im letzten Kapitel erfahren haben, sind eine auftriebsfördende Rumpfform und viel eingesetze Energie das Rezept für's (Halb-) Gleiten. Dass unser angenommener Leistungsbedarf von 50 - 100 W/kg bereits sehr gering angesetzt ist, zeigt folgendes Beispiel: eine "Arno XI Ferrari" brachte bereits Anfang der 1960er Jahre ein Leistungsgewicht von rund 500 W/kg auf ihre beiden Kufen, heutige F1-Outboard-Kats erreichen ca. 660 W/kg und die "Unlimited Hydroplanes" sogar bis zu 850 W/kg. Unsere 152VO-Modelle gleiten dagegen schon mit 50 W/kg prima.

Dass wir dauernd von "Leistungsgewicht" sprechen, hat einen guten Gurnd: neben der Rumpfform, der Bootgröße und der Motorleistung ist immer auch die Masse (= das "Gewicht") des Bootes ganz maßgeblich entscheidend für die erreichbare Geschwindigkeit. Je leichter, desto schneller. Die wichtigste und effektivste Tuningmaßnahme lautet also "Leichtbau".

Der Zusammenhang zwischen Antriebsleistung und Geschwindigkeit

Gäbe es keinen (Wasser- und Luft-) Widerstand, bräuchten wir zur Verdoppelung der Geschwindigkeit lediglich die doppelte Antriebsleistung. Der Widerstand auf den Bootsrumpf wächst jedoch mit dem Quadrat der Geschwindigkeit. Bei doppelter Geschwindigkeit erfährt das Boot somit den vierfachen Widerstand. Um doppelt so schnell fahren zu können, muss das Boot also - allein schon zur Überwindung des erhöhten Widerstands - die vierfache Antriebsleistung aufbringen und zusätzlich zur eigentlichen Geschwindigkeitserhöhung nochmal die doppelte Antriebsleistung. Die benötigte Motorleistung steigt also exponenziell mit der dritten Potenz des Geschwindigkeitszuwachses (= "hoch drei").

Beispiel: angenommen, dass ein leichtes 152VO-Utility mit mit einer Motorisierung von 100 Watt Leistung eine Geschwindigkeit von 30 km/h erzielt, benötigt es zum Erreichen der doppelten Geschwindigkeit (also 60 km/h) einen Leistungssprung auf "zwei hoch drei", also 100 W x 2 3 = 800 W. Für die dreifache Geschwindigkeit (90 km/h) benötigt es bereits 100 W x 3 3 = 2700 W bzw. für 120 km/h 100 W x 4 3 = 6400 Watt, etc. Da wir die Leistung nicht beliebig steigern können, sind der erzielbaren Spitzengeschwindigkeit eines Bootes allein schon durch die praxisgerechte Motorisierung relativ enge Grenzen gesetzt.

Motorleistung im Verhältnis zur Geschwindigkeitssteigerung

Leistungssteigerung durch Brushless-Motoren... und die Auswirkungen

Moderne » Brushlessmotoren ("BLs") sind kleiner, leichter und leistungsfähiger als konventionelle Bürstenmotoren. Sie können kurzfristig durchaus Leitungen im Kilowatt-Bereich abgeben, aber wir müssen die dafür benötigte Energie ja auch irgendwie zur Verfügung stellen. Wir bräuchten dazu nicht nur entsprechend "dicke" Regler, sondern vor allem auch große, leistungsfähige Akkus - und da setzen unsere relativ kleinen 152VO-Racer eine "natürliche" Grenze. Schauen wir uns das einmal an einem konkreten Beispiel an.

Man könnte als 152VO-Fahrer auf die Idee kommen, den eingebauten Bürstenmotor eines Graupner GTX-650 Außenborders (Speed 600 RACE 7,2V) gegen einen gleich großen und gleich Brushlessmotor z.B. von Plettenberg auszutauschen (HP 220/30). Der genannte Speed 600 zieht an zweizelligen LiPos (2S = 7,4 V) rund 18 Ampere Strom am Punkt des maximalen Wirkungsgrads. Das enspricht einer Eingangsleistung von 7,4 V x 18 A = 133 Watt. Bei optimaler Anpassung erreicht der Motor einen Wirkungsgrad von 70% - ein idealisierter Wert, der in der Praxis eher bei 50 bis maximal 60% liegen wird. Die Ausgangsleistung am Punkt des max. Wirkungsgrades beträgt also (theoretische) 133 W x 0,70 = 93 Watt. Diese Leistung reicht in der Praxis aus, um ein kleines 152VO-Flatbottom problemlos in Gleitfahrt zu bringen.

Bürstenmotor / BrushlessmotorNehmen wir weiter an, dass wir als Energiequelle einen 2S-LiPo mit 4000 mAh Kapazität in unserem Boot untergebracht bekommen. Dieser Akku stellt insgesamt (= bis zur vollständigen Entladung) 7,4 V x 4 Ah = 29,6 Wh (Wattstunden) Leistung zur Verfügung. Das Boot mit Speed 600-Motor  könnte damit also 29,6 Wh : 133 W = 0,222 h = 13,35 Minuten lang fahren. Da LiPos durch 100%ige Entladung zerstört werden, wird man in der Praxis mit diesem Akku jedoch nicht länger als 10 Minuten fahren. 

[Abb. rechts: Graupner Speed 600 RACE 7,2V und Plettenberg HP 220/30 A3 S P4. Bildquellen: www.graupner.de und www.plettenberg-motoren.com]

Nun kommt der Plettenberg 220/30 A3 SP4 zum Einsatz. Da er eine geringere spezifische Drehzahl als der Speed 600 hat, betreiben wir ihn an 3S-LiPos (11,1 V), die wir gerade noch im Bootsrumpf untergebracht bekommen. Um beim gleichen Gesamtgewicht zu bleiben, wählen wir einen Akkutyp mit 3S / 2650 mAh - also ebenfalls knapp 30 Wh (11,1 V x 2,65 Ah = 29,4 Wh). Platzbedarf und Gewicht sind nach dem Umbau also völlig identisch geblieben.

Der gewählte Pletti 220/30 hat im untersten Lastbereich bereits eine ähnliche Leistung wie der Speed 600 im max. Wirkungsgrad (113,6 W Eingangsleistung bei 10,1 A Stromaufnahme). Aufgrund seines hohen Wirkungsgrads von über 85% beträgt die Abgabeleistung dieses Motors aber bereits 97 Watt. Im Gegensatz zum Bürstenmotor steht der max. Wirkungsgrad eines Brushless über einen sehr breiten Lastbereich zur Verfügung. Bei 50 A Stromaufnahme liegt der BL-Pletti immer noch weit über 80% - dann leistet er aber bereits 436 Watt Abgabe (bzw. nimmt 524 Watt Eingangsleistung auf).

Gegenüber dem Speed 600 können wir also eine gut 4-fache Leistungssteigerung bei gleichem Gewicht erzielen. Damit könnten wir deutlich grössere und steilere Props drehen als mit dem Bürstenmotor. Allerdings wäre unser Akku bei dieser Beispielrechnung nach 29,4 Wh : 524 W = 0,056 h = 3,36 Minuten vollständig leer! In der Praxis resultiert daraus also eine realistische Fahrzeit von 2,5 bis max. 3 Minuten... das ist natürlich eindeutig zu wenig! Da der Motor kurzfristig auch höhere Stromspitzen ziehen kann, wird die Belastung für den gewählten 2650 mAh-Akku ebenfalls so langsam kritisch.

Einen solchen Motor würde man also sinnvollerweise in grösseren Booten und zusätzlich an höheren Spannungen betreiben, um bei identischer "Leistungszufuhr" in den Bereich geringerer Stromaufnahme zu kommen. Ein Akku von knapp 30 Wh ist für diese Rahmenbedingungen einfach zu klein gewählt - ein entsprechend grösser Akku lässt uns aber recht schnell an die Platz- und Gewichtsgrenze unserer 152VO-Racer stossen. Der Austausch eines Bürstenmotors gegen einen gleich großen BL-Motor ist also der falsche Weg. Statt dessen würde man als Ersatz im Graupner GTX einen kleineren BL-Motor der 400er-/480er-Baugrösse wählen (= 28 mm Durchmesser). Er spart gegenüber dem Speed 600 gute 50% Gewicht und ist ihm trotzdem leistungsmässig klar überlegen.

Wie sieht es nun mit dem Geschwindigkeitszuwachs aus? Wir wissen: doppelte Geschwindigkeit benötigt 8-fache Leistung. Wir haben aber selbst nach dem Umbau auf unseren (zu) dicken Pletti "nur" rund die 4,5-fache Leistung zur Verfügung. Damit steigt unsere Geschwindigkeit ca. um das 1,65-fache (= Kubikwurzel aus 4,5), also immerhin um knapp zwei Drittel.

Bei diesen ganzen Überlegungen haben wir bisher jedoch noch eine grundlegende Sache ganz außer Acht gelassen: welche physikalische Leistung verkraftet der mechanisch-konstruktive Aufbau unserer Modell-Außenborder überhaupt? Wir können an dieser Stelle auf weitere Berechnungen verzichten, denn eins ist sicher: eine stark gekrümmte 2,5mm-Flexwelle mit ihrer reibungsintensiven Lagerung wird die gewaltige Leistungsentfaltung eines Plettenberg 220/30 nicht lange überleben.

Zusammenfassung

Schlussendlich kann also festgestellt werden, dass wir mit stärkeren Motorisierungen bei unseren relativ kleinen 152VO-Racern recht schnell an verschiedene Grenzen stossen. Die Außenborder-Konstruktion muss die erhöhte Motorleistung "aushalten". Stärkere Motoren brauchen höhere Energiezufuhr (Eingangsleistung), ergo grössere Akkus. Dafür benötigen wir ein entsprechend größeres Boot, das wiederum schwerer ausfallen wird und eine größere benetzte Fläche aufweist. Durch diesen Gewichts- und Widerstandszuwachs wird ein Teil der erhöhten Motorleistung gleich wieder zunichte gemacht.

"AB-Tuning" durch BL-Einbau ist durchaus sehr sinnvoll, kann aber keine "Wunder" bewirken. Geschwindigkeitserhöhungen im Bereich von ca. 30 - 60% sind durch BL-Umbau recht einfach machbar, aber ab einem bestimmten Punkt wird jeder zusätzliche km/h teuer erkauft. Anders ausgedrückt: ein sinnvoller BL-Umbau dient in erster Linie der Gewichtsreduzierung und dem besseren Gesamtwirkungsgrad und erst in zweiter Linie der Drehzahl- und Leistungserhöhung. Ein Umbau von Bürsgte auf BL ist also auch dann sinnvoll, wenn man die Geschwindigkeit seines Bootes nicht erhöhen möchte.

Diese einschränkenden Worte haben aber auch einen positiven Aspekt: 152VO-Racer mit identischen Rümpfen werden - unabhängig von der Motorisierung - in relativ ähnlichen Geschwindigkeitsbereichen laufen. Eine Verdoppelung der Geschwindigkeit durch den Einbau eines stärkeren Motors ist in der Praxis kaum machbar. Statt übermässig viel Leistung einzusetzen, werden wir sinnvollerweise das tun, was auch unsere "Vorbild-Rennfahrer" gemacht haben:

  • den "richtigen" Rumpf für dem jeweiligen Einsatzzweck wählen,
  • möglichst leicht und verzugsfrei bauen,
  • die benetzte Fläche minimieren und die Laufflächen polieren und wachsen (oder aufrauhen),
  • einen zur Motordrehzahl und -leistung passenden Prop wählen (Durchmesser / Steigung), und schliesslich
  • die Höhe und Schrägstellung ("Tilt") des Außenborders sehr sorgfältig feinjustieren.

 

» weiter zum Thema "Die verschiedenen Gleitertypen"

Zuletzt aktualisiert am Donnerstag, den 30. August 2012 um 06:44 Uhr