Start Die Originale Outboard-Racing in den 50ern

Outboard Racing in den 50er Jahren

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Amerika im Outboard-Racing-Fieber

Outboard Racing in den 50er Jahren - www.boatracingfacts.comEtwas Ungewöhnliches geschieht im Amerika der 50er Jahre: Männer verbringen jede Minute Freizeit in ihren Garagen, um aus rohen Sperrholztafeln kleine, rassige Rennboote zu zimmern. Außenborder werden gekauft, repariert und gewartet. Söhne bauen zusammen mit ihren Vätern, die Mütter begleiten sie zum Rennen und selbst neunjährige Kinder rasen mit seifenkistenähnlichen Rennbooten in ihrer eigenen "Junior"-Rennklasse übers Wasser. Tausende von Schaulustigen zieht es an den Wochenenden zu den großen Marathon-Rennen oder zum regionalen "Cottage-Race" am nächsten See.

(Bildquelle: http://www.boatracingfacts.com)

Die Zahl einsatzbereiter Außenbordmotoren in den USA wird Mitte der 50er Jahre auf 3,5 bis 4 Millionen Stück geschätzt. Jede zwanzigste amerikanische Familie ist im Besitz eines Außenborders. Und Carl Kiekhaefer, der Chef der jungen Firma "Mercury", weiss bald nicht mehr, wie er der explodierenden Nachfrage nachkommen soll...

Die Idee dieses neuen "Volkssports" ist einfach: mit serienmäßigen Outboard-Motoren und gewöhnlichen "Family-Runabouts" werden Rennen ausgetragen, die noch wenige Jahre zuvor der Profi-Liga mit ihren "Racing Outboards" vorbehalten waren. Während der Rennsaison gibt es in den USA kaum ein Wochenende, an dem nicht mindestens ein halbes Dutzend offizieller Rennveranstaltungen stattfindet. Rund 6.000 Fahrer sind Mitte der 50er Jahre bei den beiden großen Dachverbändern » APBA und » NOA organisiert. Daneben existieren noch ein gutes Dutzend kleinere Verbände, bei denen etliche hundert weitere Fahrer angemeldet sind.

 

Der Beginn einer populären Rennsport-Euphorie

Titelfoto der "Boat Sport", Februar 1952Doch wie kommt es zu dieser plötzlichen Outboard-Racing-Euphorie? Außenborder-Rennen und -Rennklassen gibt es schliesslich schon seit Jahrzehnten. Aber dieser Sport ist bis in die späten 40er Jahre einem kleinen Kreis von Spezialisten vorbehalten: genug Geld (oder potente Sponsoren) für teure Rennmotoren und Spezialkraftstoffe, große fahrerische Erfahrung und mechanisches Know How sind die unabdingbaren Voraussetzungen.

Nach dem 2. Weltkrieg setzt in der amerikanischen Bevölkerung eine beispiellose Motorsportbegeisterung ein. Ob Auto-, Motorrad- oder Bootsrennen: tausende von Schaulustigen zieht es zu den öffentlichen Veranstaltungen. Die Menschen haben genug von den Kriegswirren und politischen Querelen - sie wollen Spass und Abenteuer, sie sind technikbegeistert und in Aufbruchstimmung. Sie suchen nach einer neuen Identität - und die Profi-Rennfahrer sind ihre Idole.

(Foto: Titelbid der Zeitschrift "Boat Sport", Februar 1952)

Die USA in den frühen 50ern sind ein Land, das vor Spannung förmlich knistert. Eine Nation steht vor einer inneren Zerreissprobe. Auf der einen Seite ist das Land geprägt von einem geradezu paranoiden Kommunistenhass und einer gnadenlosen Verfolgung durch das "Kommitee für unamerikanische Umtriebe". Der stellvertretende Finanzminister und der Berater des Präsidenten werden als sowjetische Agenten verdächtigt. Selbst Charlie Chaplin und mehrere berühmte Hollywoodregisseure wurden zu Opfern dieser inquisitorischen » McCarthy-Ära. Es herrscht das Klima eines totalitären Staates. Außenpolitisch sieht es nicht besser aus: der kalte Krieg mit Moskau tobt, der neue Präsident Truman fördert die Entwicklung der Wasserstoffbombe und zieht gegen Nordkorea und China in einen weiteren Krieg.

Auf der anderen Seite kämpfen die Bürgerrechtsbewegungen um Freiheiten, in den Clubs spielen die schwarzen Blues- und die weißen Rock'n'Roll-Musiker. Rebellische Jugendstars wie James Dean, Marlon Brando und Elvis Presley werden zu den Idolen der Teenager-Generation. Die Kultur ist tief gespalten zwischen erzkonservativem Nationalismus und jugendllicher Revolte: kitschige Monumentalfilme und patriotische Western treffen auf Rock'n'Roll-Filme von Elvis Presley und Bill Haley. Konservative Schnulzensänger wie Nat King Cole und Dean Martin kämpfen in den Top-10-Charts gegen den Blues von Muddy Waters, Chuck Berry und B.B. King.

James Dean, rebellisches Jugendidol der 50er(Abb. rechts: James Dean, rebellisches Jugendidol der 50er Jahre. Bildquelle: theartofcorrespondence.files.wordpress.com)

Aber wenden wir uns wieder den Outboard-Rennen zu. Während die Profis noch mit einem Mangel an Rennmotoren und Ersatzteilen zu kämpfen haben, entstehen parallel dazu die ersten, inoffiziellen "Outlaw"-Rennen: jugendliche Rennfans tragen mit serienmässigen Motoren und gewöhnlichen "family runabouts" (Freizeitbooten) ihre eigenen Rennen aus, um den Profis nachzueifern. Die drei Faktoren "Versorgungskrise in den Racing-Outboard-Klassen", "große Motorsportbegeisterung der Bevölkerung" und "Outlaw-Rennen mit serienmässigem Equipment" sind der Anlass, dass die APBA im Jahr 1948 das legendäre "Albany to New York"-Marathonrennen (» Video) neu reglementiert: fortan ist es nur noch für » stock motors (= streng serienmässige, unmodifizierte "Alltags"-Motoren) und "familiy-type utility runabouts" (= Familien-Rennboote) zugelassen.

Obwohl die alten Racing-Profis nur wenig Interesse an dieser Art von "Volksrennen" zeigen, werden die neuen Stock-Klassen für die Organisatoren und Veranstalter zu einem vollen Erfolg. Hunderte von Teilnehmern melden sich zu den Wettbewerben an, jeder hat plötzlich eine Chance, seine Rennsportbegeisterung auszuleben.

 

Getrennte Rennklassen für Profis und Amateure

Parallel zu dieser "Stock Outboard"-Entwicklung kommen auch die Vorkriegs-Profirennklassen der » Racing Outboards wieder in Schwung: 1950 ist die » Versorgungskrise überwunden, hochpotente Racing-Motoren und Ersatzteile stehen wieder zur Verfügung. Fortan werden die Rennen der » Racing Outboards und der » Stock Outboards in getrennten » Klassen ausgetragen. Die Profis fahren vorrangig um Geldpreise, die siegreichen Amateure erhalten dagegen einfache Blechpokale oder "Urkunden zum selber einrahmen", eine Stange Zigaretten, Bootszeitschriften und eine Kiste Bier. Bei großen Rennen werden auch wertvollere Sachpreise wie Mercury-Motoren oder Bootsrümpfe vergeben.

Schon bald greift die Euphorie der Outboard-Rennen auf die Nachbarländer über. Kanada organisiert gemeinsame Marathon-Rennen mit den USA, denn praktischerweise sind beide Länder über Flüsse und die großen Seen verbunden. Und zu den mexikanischen Veranstaltungen werden US-amerikanische Teams eingeladen, um den Veranstaltungen ein internationales Flair zu verleihen. Auch in Japan, Equador und Südafrika sind Outboard-Rennnen sehr populär. 1953 werden allein in Japan über 4 Millionen Eintrittskarten zu Outboard-Rennveranstaltungen verkauft.

Obwohl die Outboard-Euphorie in Europa nicht in gleichem Maße zum Volkssport wird, werden auch hier in nahezu jedem Land Rennen ausgetragen. Die Franzosen veranstalten Marathons auf der Seine, die Engländer fahren mit ihren kleinen Rennbooten sogar auf dem Ärmelkanal. Die rennsportbegeisterten Italiener sind die ersten, die mit einem Outboard-Rennboot die 100-mph-Grenze knacken. Und der Berliner Mechaniker Dieter König lehrt seine Konkurrenten in aller Herren Länder das Fürchten: er baut die schnellsten und leistungsstärksten Outboardmotoren der Welt.

 

Der "Garagengroove"

Im allgemeinen "boating-boom" der 50er bricht bald auch das Do-it-yourself-Fieber aus. Jeder bootsbegeisterte Bastler möchte an den Stock-Rennen teilnehmen oder zumindest mit ein paar Kollegen private » Cottage-Races auf dem nächsten See austragen. In den amerikanischen Hobby- und Technikzeitschriften erscheinen Baupläne mit detaillierten Bauanleitungen für kleine, schnelle und preiswerte Outboard Racer. 20 bis 30 US$ Materialkosten, eine Garage als "dockyard" und etwas handwerkliche Begabung - mehr ist zum Bau nicht erforderlich.

Der Garagengroove

Ein kleiner (» A-Class-) Mercury KE-4 ist bezahlbar und seine 7,5 HP Leistung reichen aus, um die leichten Boote auf beachtliche Geschwindigkeiten zu beschleunigen. Für einen hochkarätigen Mercury Mark 20H (» B-Class-) Rennmotor muss derjenige, der es sich leisten kann, allerdings noch einmal gute 400 Dollar zahlen. Wer es billiger haben will, der kauft beim lokalen Bootshändler für 5 Dollar einen 20 Jahre alten Johnson Sea Horse, zerlegt ihn über Winter in alle Einzelteile, reinigt und poliert ihn, bis er schliesslich im Frühjahr am Heckspiegel seines neuen Cottage Racers glänzt.

(Abb. links: eine selbstgebaute Switzercraft Bullet entsteht in der Garage. Bildquelle: www.classicwoodenboatplans.com)

In den 50er Jahren gibt es keinen Zeitschriftenstand und keinen Krämerladen, der nicht zumindest ein paar Zeitschriften und Handbücher für Hobby-Bootsbauer im ständigen Angebot führt. Und auf den Titelseiten sind fast immer Außenborder-Boote abgebildet. Selbst im "Boy's Life"-Magazin erscheinen Baupläne für die rennsportbegeisterten Jugendlichen.

Wie enorm groß das allgemeine Interesse an Outboard-Rennen ist, zeigt ein schönes Beispiel: 1955 veranstaltet die Zeitschrift "Popular Mechanics" einen allgemeinen Heimwerker-Wettbewerb. Die Preise, die es dabei zu gewinnen gibt, bestehen fast zu 50% aus Stock-Outboard-Rennequipment!

 

Vom Amateurrennen zum Profisport

Die große Popularität der Stock-Klassen führt dazu, dass die Hersteller schnell mit der Produktion » spezieller Outboarder reagieren: die Motorblöcke normaler Alltags-Außenborder werden auf neue Rennunterteile mit Spezialgetriebe aufgesetzt. Diese Getriebe haben weder Leerlauf- noch Rückwärtsgang, liefern aber hohe Propellerdrehzahlen und haben besonders strömungsgünstige "Lower Units". Dadurch sind sie für normale Alltagsboote kaum sinnvoll einzusetzen. Da diese Spezialantriebe jedoch bei jedem Motorenhändler problemlos gekauft werden können, gelten sie weiterhin als "Stock-Motoren". Der ursprüngliche Stock-Gedanke wird also innerhalb kürzester Zeit von den Herstellern auf den Kopf gestellt.

Hubbel Wildcat Modified StockAuch die Bootsbauer reagieren auf den Rennboom: sie liefern Rennboot-Pläne, Kits und fertige Rümpfe für die Stock-Klassen. In den frühen 50ern entsteht so eine zweite Generation von Stock-Rennbooten: die ursprünglichen "Family Runabouts" (meist leistenbeplankte Rümpfe mit hard chines oder round chines) weichen sperrholzbeplankten Racern mit non-trip-chines und turnfins. Parallel dazu beginnen fähige Mechaniker, die Stock-Motoren für die "Outboard-Racing"-Klassen zu modifizieren und auf die Verbrennung von » Alkohol-Kraftstoffen umzubauen. Diese neu entstandene Motorenart der » Modified Stock Engines darf zwar nicht mehr in den Stock-Klassen eingesetzt werden, aber sie verringert den Leistungsunterschied zwischen Racing Outboards und Stock Outboards drastisch. Die von Quincy Welding und Randolph Hubbel modifizierten Alky-Mercurys übertreffen sogar die hochgetunten Evinrude- und Johnson-Rennmotoren der Vorkriegsjahre.

(Abb. rechts: Das Titelblatt eines » Katalogs von Randolph Hubbel zeigt den "Mercury Wildcat", einen zum Modified-Stock-Motor umgebauten Mark 20H)

Die Rennprofis, die anfangs von den Stock-Klassen wenig begeistert waren, finden bald ihren eigenen Vorteil bei dieser neuen Art von Rennen. Zum einen können sie ihre wertvollen Rennaggregate schonen, indem sie bei den strapaziösen » Marathonrennen mit robusten und preiswerten Stock-Motoren antreten. Zum zweiten verfügen sie über deutlich mehr Rennerfahrung und ausgefeiltere Fahrtechniken, so dass sie oftmals als Sieger aus den Stock-Rennen herausgehen.

All dies führt zu einer allmählichen Professionalisierung der Stock-Rennen. Das Ende der 50er Jahre bedeutet auch das Ende der Stock-Outboard-Rennen. Nun kommen neue Materialien für den Bootsbau in Mode: Aluminium wird für den Massenmarkt bezahlbar und Glasfaser-Kunststoff (GFK) ermöglicht die Entwicklung ganz neuer Formen und besonders leichter, spantenloser Schalenrümpfe (Monocoques). Die Entwicklung der Deep-V-Rümpfe (= Monorümpfe mit ausgeprägter V-Form im Querschnitt) und der Tunnel Hulls führt zu deutlich schnelleren und stabiler laufenden Booten, die nun auch wesentlich höhere Motorleistungen verkraften können, ohne direkt zu kentern.

Bereits 1959 ist die ursprüngliche Idee der Amateur-Stockrennen Vergangenheit: ein Hobby-Bootsbauer hat praktisch keine Chance mehr, beim Rennen mit normalem Equipment anzutreten und auf die vorderen Plätze zu kommen. Obwohl weiterhin getrennte Rennklassen für Racing Outboards und Stock Outboards existieren, werden nun sämtliche Wettbewerbe von den Profis dominiert. Als schliesslich noch die Sponsoren ins Spiel kommen und die imageträchtige Werbewirkung der Outboardrennen für wirtschaftliche Zwecke nutzen, wird der Wandel auch nach außen hin sichtbar: die ehemals schlichten Sperrholz-Rennboote mit ihrer farbenfrohen Lackierung verwandeln sich zunehmend in fahrende Reklametafeln mit immer größeren Motoren am Heck. Die Rennen verlieren ihren ursprünglich rauhen Charme des Spontanen und Provisorischen und werden zum knallharten Business.

 

Die OPC-Rennen

Dennoch gibt es in den 60er Jahre einen zweiten Versuch, zur ursprünglichen Idee der Stock-Rennen zurückzukehren: die OPC-Klassen ("Outboard Pleasure Craft") werden ins Leben gerufen. Wieder wird mit serienmässigen Motoren gefahren - aber diese Motoren leisten mittlerweile 100 PS und mehr! Auch die Boote haben sich verändert: es dominieren die Katamarane und Tunnels aus glasfaser-verstärktem Kunststoff. In einigen Klassen sind gleich zwei Außenborder am Heck des Bootes gestattet - die Antriebsleistungen explodieren förmlich. Es ist der Beginn des » Big Horsepower Race - der Kampf der Motorenhersteller um immer stärkere Triebwerke und immer höhere Spitzengeschwindigkeiten.

So ist es kein Wunder, dass auch die OPC-Rennen sehr schnell zu gesponsorten Profi-Veranstaltungen werden. Boote, Motoren und das gesamte Rennequipment sind für einen einzelnen Amateur längst nicht mehr bezahlbar. In erster Linie sind die Rennen ein Kampf zwischen den Herstellerfirmen OMC (Evinrude / Johnson) und Mercury. Diese beiden Kontrahenten reizen die Motorleistungen gegenseitig immer höher, bis die Triebwerke schliesslich über 300 PS leisten. Der Kampf um das weltschnellste Boot, der 1958 mit Mercury's "RX-3" begann, endet 1989 mit Evinrude's "Karelsen SE": beide Firmen versuchen, die magische 200 mph-Grenze als erster zu knacken. 1989 einigen sich OMC und Mercury schliesslich, auf weitere Rekordversuche zu verzichten. Die 200 mph wurden mit einem Outboardmotor nie erreicht - der offizielle Evinrude-Weltrekord von 1989 (176.56 mph = 284.15 km/h) steht bis heute.

Die heutigen Formel-1-Tunnels sind die letzte Evolutionsstufe der 60er-Jahre-OPC-Rennen. Mit den aktuellen 2 bis 3-Liter-Motoren werden Spitzengeschwindigkeiten bis 244 km/h erreicht. Während anfangs die OMC-Motoren dominierten, werden mittlerweile ausschliesslich Mercurys verwendet.

Stock- und Modified-Stock-Rennen werden heute in den USA nur noch von einem kleinen Kreis rennsportbegeisterter Amateure gefahren.