Die Vorgeschichte: Entwicklung der Outboard-Rennen bis 1949
Das Outboard-Racing-Fieber, das in den 50er Jahren zum heißbegehrten "Volkssport" wird, ist eng verbunden mit der Entwicklungsgeschichte der Motoren. Die Frage, wann das erste Außenbordrennen statt fand, ist ebenso wenig eindeutig zu beantworten wie die Frage nach dem allerersten Außenbordmotor. Wo also beginnt unsere Geschichte? Vielleicht bei dem ersten pedalbetriebenen Heckantrieb, gebaut 1864? Oder bei dem ersten "abnehmbaren" Dampfmotor?
Eins ist sicher: es war ein langer Weg von Versuchen und Irrtümern, der bis ins späte 19. Jahrhundert zurück reicht. Tauchen wir also erst einmal ein in die Zeit der Kutschen und Reifröcke und wenden unseren Blick auf diese frühen Außenbord-Pioniere...
1887 - 1907: Die Entwicklung der ersten "abnehmbaren Motoren"
Bereits 1887 erhält Emerson Hartan (Massachusetts) ein Patent für den Entwurf eines "Dampfmotors mit 4-Blatt-Propeller, der vollständig vom Heckspiegel eines kleinen Bootes abgenommen werden kann". Obwohl der Motor nie gebaut werden sollte, verhindert diese erste Patentanmeldung einen vollständigen Patentschutz aller folgenden Outboard-Motoren.
Die älteste Dokumentation eines "abnehmbaren Motors" mit Benzinbetrieb geht auf das Jahr 1896 zurück. Zu dieser Zeit baut die American Motor Company (Long Island / New York) einen luftgekühlten Einzylinder-Viertakter. Er liefert ca. 1-2 PS bei 400 bis 600 U/min. Der Motor hat trotz seines primitiven Aufbaus bereits erstaunliche Ähnlichkeit mit den später folgenden, modernen Motoren. Angeblich werden 25 Exemplare gebaut, jedoch offenbar mit wenig Erfolg: das "Rudder Magazine" schreibt im Mai 1916, dass diese Motoren einfach nicht laufen wollten.
(Abb. rechts: den 1896er "American" kann man als "Urgroßvater aller Außenborder" bezeichnen. Sein Zylinderkopf war mit Spiralfedern umwickelt, die allerdings eher der Verzierung als der effektiven Motorkühlung dienten. Bildquelle: » Peter Hunn / The Old Outboard Book)
In den nächsten Jahren folgten ein halbes Dutzend weiterer Außenborder-Erfindungen, u.a. um 1900 auch ein Elektromotor der "Submerged Electric Motor Company". 1905 entwickelte Cameron B. Waterman dann schliesslich den ersten erfolgreichen Außenbordmotor, der in den Räumen der "Caille Brothers Company" (Detroit) gebaut wurde. Es handelt sich um einen wassergekühlten Motor mit einem stehend angeordnetem Zylinder. Bei der ersten Version wird der Propeller noch von einem Kettenantrieb gedreht. Der Motor muss zum Starten am Propeller angeworfen werden. Die Kette wird kurz darauf gegen eine starre Welle ausgetauscht. Am 6. Dezember 1905 reicht Waterman einen Patentantrag für diesen Motor ein, der aber erst am 23. April 1907 bewilligt wird.
Das Publikum der "New York Boat Show" von 1906 interessiert sich sehr für den neuen Antrieb. Waterman lässt 25 luftgekühlte Motoren bei Caille fertigen. 24 davon werden in kürzester Zeit verkauft, den letzten behält Waterman für sich selbst. Diese Motoren dieser Serie gelten als die ersten kommerziell gefertigten Außenborder der Welt.
(Abb. links: Waterman "Porto", Baujahr 1908 - der erste in Großserie hergestellte Außenborder. Bildquelle: » Peter Hunn / The Old Outboard Book)
1907 wird die "Waterman Marine Motor Company" (Detroit) gegründet. Der erste Motor wird weiter verbessert, die Gesamtproduktion beläuft sich in den ersten beiden Jahren auf jeweils 3.000 wassergekühlte "Waterman Porto"-Motoren. Diese Außenborder haben eine Batteriezündung, ein offen liegendes, wassergeschmiertes Getriebe und einen zylindrischen Tankbehälter, der auf dem hölzernen Handgriff montiert ist. Waterman schaltet Werbeanzeigen in vielen verschiedenen amerikanischen Zeitschriften (The Rudder, Scientific American, Popular Mechanics, Outdoor Life, etc.). Daraufhin kann die Produktion des Jahres 1909 auf 6.000 Motoren verdoppelt werden.
In den Waterman-Anzeigen taucht erstmals der Begriff "Outboard Motor" auf. Diese Bezeichnung wollte sich die Firma als eingetragenes Warenzeichen schützen lassen. Der Eintrag scheitert jedoch daran, dass der Begriff von der zuständigen Stelle als "zu allgemein beschriebend" angesehen wird. Deshalb darf fortan auch jeder andere Hersteller seine "detachables" (= "abnehmbare Motoren") als "Outboard Motors" bezeichnen. Und es dauerte nicht lange, bis sich diese Bezeichnung allgemein eingebürgert hatte: der "Outboarder" ist geboren!
1908 - 1923: Die ersten inoffiziellen Outboardrennen
Kaum sind die ersten Außenbordmotoren auf dem Markt erhältlich, finden auch schon erste inoffizielle Außenborder-Regatten statt. Anfangs treten die wenigen Außenborder allerdings noch gegen Inboarder-Boote an. Im September 1908 erhält die Firma Waterman folgenden Brief:
"Dear Sirs, with a Waterman Out-Board Motor I took first prize in the Labor Day Regatta against boats with two horsepower installed inboard engines!" ("Sehr geehrte Herren, mit einem Waterman Outboard-Motor wurde ich Erster bei der Labor-Day-Regatta gegen Boote mit 2-PS-Inboard-Antrieben!"). Dieser Brief wird zum ältesten bekannten Beleg für ein Bootsrennen mit Außenbordmotoren.
Die einfachen "Außenbord-Rennboote" der Anfangszeit sind den leistungsfähigen, edlen Mahagoni-Schönheiten mit Inboard-Antrieb (» Gentlemen's Racer) in der Regel weit unterlegen und finden daher nur geringes öffentliches Interesse. Diese ersten Außenbord-"Rennboote" haben noch reine Verdrängerrümpfe, kommen also nicht in Gleitfahrt. Es sind schmal-lange Fischerkähne in Kanuform, die einen flachen Rumpfboden aufweisen. Diese 14 bis 20 Fuß (4,27 bis 6,10 m) langen, flachen Kähne werden "Putt-Putts" (später auch "Jon Boats") genannt. Zum Ausballancieren benötigten sie eine zweiköpfige Besatzung: eine Person im Bug, eine hinten am Motor.
Das Jahr 1909 wird zu einem Meilenstein in der Entwicklung des Außenbord-Motors: der junge Ingenieur Ole Evinrude, Sohn eines norgwegischen Einwanderers, stellt seinen ersten Motor vor. Es ist ein Einzylinder-Zweitakter mit Batteriezündung, der 1.5 PS bei 1.000 rpm leistet. Dieser 65 Pfund schwere Außenborder, der mit einer Handkurbel auf der Schwungscheibe einfach zu starten ist, wird sofort zu einem Verkaufsschlager: noch bevor die ersten 25 Exemplare zu einem Stückpreis von 62 US$ verkauft sind, kommen weitere Aufträge herein. Ole's geschäftstüchtige Frau Bess verfasst im April 1910 ihren berühmten ersten Anzeigentext: "Don't row! Throw the oars away! Use an Evinrude Motor." ("Rudert nicht! Werft die Riemen weg! Benutzt einen Evinrude Motor!").
(Abb. rechts: Ausschnitt aus der Evinrude-Patentschrift von 1910)
Ole und Bess Evinrude werden oftmals als das perfekte Business-Team bezeichnet: er - der konstruktive Genius, sie - die Marketing-Expertin (» Video: Die Geschichte von Ole Evinrude). Bess' Werbeanzeigen schlugen ein wie eine Bombe. Jahre später erzählt sie: "Ein paar Tage nach Erscheinen der Anzeigen kam Ole nach Hause und sah aus wie ein Briefträger. All seine Taschen und beide Hände waren voller Briefbündel. Er warf sie auf den Tisch und wir vollführten einen Freudentanz ringsherum." Am 22. August 1910 erhält Ole Evinrude das Patent für seinen "Marine Propulsion Mechanism" (= "Marine-Antriebs-Mechanismus"). Über 1000 Motoren werden bis Jahresende verkauft.
1911 wird die Evinrude Detachable Rowboat Motor Company gegründet. Chris Meyer, Präsident der "Meyer Tug Boat Lines", investiert 5.000 US$ in die Firma und wird damit 50%iger Teilhaber. Das junge Unternehmen beschäftigt rund 100 Mitarbeiter und verkauft im ersten Geschäftsjahr 2.090 Motoren. In diesem Jahr wird auch die erste "Evinrude Regatta" veranstaltet - das älteste bekannte Outboard-Rennen der Welt, bei dem flache Fischerkähne zum Start antreten, die mit den kleinen Envinrude-Einzylindern motorisiert sind.
(Abb. links: einer der frühesten Belege für Outboard-Rennen ist dieser Pokal mit der Gravur "Evinrude Detachable Motor Race, Aug. 31 - 1912". Bereits vor dem ersten Weltkrieg bewarben die Hersteller ihre Motoren mit Rennerfolgen. Bildquelle: Antique Boat Museum's Evinrude Collection).
1912 beginnt Evinrude, die Motoren auch nach Skandinavien (Norwegen, Dänemark, Schweden) zu exportieren. Die Jahresproduktion steigt auf 4.650 Motoren. 1913 sind es bereits 9.412 verkaufte Außenborder, die von mehr als 300 Angestellten gefertigt werden. In diesem Jahr wird auch die Firma Caille gegründet, die im Verlauf ihrer Geschichte zu einem bekannten Outboard-Hersteller aufsteigt und erfolgreich in der Rennszene mitmischt.
Wegen des immer schlechter werdenden Gesundheitszustandes seiner Frau verkauft Ole Evinrude im Jahr 1914 seine 50%igen Firmenanteile (inkl. der Namensrechte) für 137.500 US$ an Chris Meyer. Meyer wird damit alleiniger Inhaber der Firma Evinrude. Der Verkaufsvertrag sieht vor, dass Ole Evinrude für die nächsten 5 Jahre nicht im Outboard-Geschäft tätig sein darf.
Im gleichen Jahr wird die Firma Lockwood gegründet und beginnt erfolgreich die Produktion von Außenbordern. Motorenhersteller wie Arrow, Koban, National und Federal bringen die ersten Zweizylinder-Outboarder auf den Markt. Bei einer Leistung von ca. 3 - 4 hp wiegen diese Antriebe fast 90 lbs (40,8 kg) und sind damit für Rennen wenig geeignet. Dennoch bezeichnet sich die Firma Koban in einer Werbeanzeige von 1919 als "Speed Champion for the Year".
1920 erreichen die "Putt-Putts" mit ihren 2-PS-Motoren bereits Spitzengeschwindigkeiten von über 10 mph (ca. 17 km/h). Schon 1921 werden erste Rennklassen und Regeln aufgestellt. Damit wird die Idee geboren, durch unmodifizierte, serienmässige ("= Stock") Außenbord-Motoren gleiche Voraussetzungen für alle Rennteilnehmer zu schaffen.
Nach sieben Jahren Pause beschliesst Ole Evinrude im Jahr 1921, wieder in die Motorenproduktion einzusteigen. Da er zusammen mit seinen Firmenanteilen auch alle Namensrechte an Chris Meyer verkauft hatte, nennt er seine neue Firma ELTO ("Evinrude Light Twin Outboards"). Sein erster Motor ist ein 3 hp 2-Zylinder, der nur 40 lbs wiegt. Leichtes Aluminium ersetzt nun die ehemals gußeisernen Zylinder und Kurbelgehäuse.
(Abb. links: ELTO Light Twin Outboard Motor 1921-26. Bildquelle: » llinois State Museum / Harversting the River)
Im gleichen Jahr erobern auch die genialen Brüder Clarence, Harry und Julius Johnson den Outboard-Markt, auf dem sich mittlerweile bereits über 30 Herstellerfirmen tummeln. Schon seit 9 Jahren sind die Johnsons im Flugzeugbau sehr erfolgreich. Nun entwickeln sie - zusammen mit dem norwegischen Ingenieur Finn T. Irgens - einen Zweizylinder-Outboarder mit nur 35 lbs Gewicht, den "Johnson Light Twin" (Spitzname "Waterbug"). Ein Freund der Johnsons, Warren Conover, baut für diesen Antrieb eine kleine Schute, 9 Fuss (2,74 m) lang und 40 Pfund (18,1 kg) leicht. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, dieses Boot ins » Gleiten zu bekommen, setzt Conover im Frühjahr 1922 seinen 11-jährigen Sohn ans Steuer. Er erreicht eine Rekordgeschwindigkeit von 14 mph (22,5 km/h). Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass ein Boot mit Außenbordmotor wirklich gleitet. Der Johnson "Waterbug" wird nun an der New York Boat Show vorgestellt und verkauft sich bereits im ersten Jahr über 3000 mal.
Ganz anders sieht es bei der Firma Evinrude aus: unter der Leitung von Chris Meyer wurde der Anschluss an die aktuelle Motorenentwicklung verpasst. Die alten Evinrude-Motoren, die seit dem Ausstieg von Ole Evinrude nicht mehr weiter entwickelt wurden, verkaufen sich immer schlechter, während die Zweizylinder der Branchen-Newcomer ELTO und Johnson echte Verkaufsschlager werden. Frustriert verkauft Meyer 1922 die Firma an eine Investorengruppe. Unter neuem Management wird das Evinrude Motorenprogramm komplett neu entwickelt: 1923 erscheint der 2 hp Sport Twin und 1924 der 4 hp Big Twin. Trotzdem sinken die Verkaufszahlen der Firma weiter. Im Folgejahr wird Evinrude zum dritten Mal verkauft, diesmal an eine Investorengruppe um August Petrie, den neuen Firmenpräsidenten.
In diesem Zeitraum werden auch die ersten lokalen Outboard-Clubs gegründet. Von den Inboard-Fans mit ihren leistungsstarken Mahagoni-Runabouts werden sie verächtlich als "Poor Men's Yacht Clubs" (Arme-Leute-Yachtclubs) belächelt. Tatsächlich kostet ein komplettes Boot mit Stock Outboard Motor kaum 200 US$ - mehr ist nicht nötig, um Samstags und Sonntags Nachmittags an lokalen Wettbewerben teilzunehmen.
1922 findet in Stockholm / Schweden ein Außenbord-Rennen mit 75 Teilnehmern statt. Ein Jahr später wird in Oshkosh / USA das erste offizielle 3-Meilen-Outboard-Rennen unter der Schirmherrschaft der "Missisippi Valley Powerboat Association" ausgetragen. Das Rennen wird von einem ELTO-betriebenen » Verdrängerboot mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 9 mph (14,5 km/h) gewonnen. Im Sommer 1923 folgen weitere Rennen in den USA (APBA Pacific Coast International Regatta), in Italien (Genua / Albaro Lido, sowie Lecco / Lago di Como) und in England (British Motor Boat Club, Chelsea, London). Auch das Londoner Rennen wird von einem ELTO gewonnen: das 16-Fuß-Skiff "Alicia" erreicht damit eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 6,7 mph (9,7 km/h).
(Abb. rechts: ein Outboard-Rennen um 1923. Die schmal-langen Flachboden-Kähne werden per » Tiller gesteuert und fahren in Verdrängerfahrt. Der zweite Mann der Bootsbesatzung dient dazu, den Bug des Bootes unten zu halten. Bildquelle: » Kevin Desmond / A Century of Outboard Racing)
Trotz ihres geringen Gewichts sind weder die ELTOs noch die Johnsons stark genug, um mit ihren 2-3 PS Leistung ein Boot mit einem Erwachsenen an Bord ins Gleiten zu bringen. Dazu ist eine Verdoppelung der Leistung erforderlich - und genau diesen Schritt streben die Brüder Johnson an. Aber bis es soweit ist, sollen noch einmal 2 Jahre verstreichen.
1924 - 1928: die Ära der Tiller-gesteuerten Gleiter und die ersten Hydros
Die American Powerboat Association (APBA), bei der bisher nur Inboard-Rennen gefahren werden, verfolgt die Entwicklung der Außenborder mit großem Interesse. Die neuen Outboard-Rennen haben das Potenzial, um der APBA neue Mitglieder zu verschaffen. Darum werden 1924 erste Outboard-Klassenregeln formuliert. Die Rennklassen werden nach Motor-Hubraum aufgeteilt (A-Class: bis 12 Kubik-Inches, B-Class: 12-17 Kubik-Inches, C-Class: 17-30 Kubik-Inches, D-Class: über 30 Kubik-Inches). Obwohl die Regeln im weiteren Verlauf der Geschichte noch häufig wechseln, werden die verscheidenen » Rennklassen fortan immer nach Hubraumgröße unterschieden.
1925 wird der Johnson P-30 "Big Twin" entwickelt, ein Zweizylinder Zweitakter mit 6 PS Leistung aus 22,73 Kubik-Inches Hubraum (372 ccm). Es ist der erste Motor, der im Aluminium-Druckgußverfahren hergestellt wird. Daher wiegt er nur 80 lbs (36,3 kg). Am 4. Juli 1925 hat dieser Motor seinen ersten öffentlichen Auftritt bei der White Lake Regatta in Michigan / USA - und erzielt sofort einen Riesenerfolg: jedes einzelne Rennen dieses Wettbewerbs wird von Johnson Big Twins gewonnen.
Warren Conover - mittlerweile Manager bei Johnson - stellt 1926 mit dem 14-Fuß-Flatbottom "Baby Buzz" und einem P-30 Big Twin am Heck einen neuen Weltrekord von 16,68 mph (26,84 km/h) auf. Bis Ende des Jahres kann dieser Rekord sogar noch auf 23,38 mph (37,63 km/h) gesteigert werden. Niemand hatte bisher geahnt, dass ein Außenborder-Boot solche Geschwindigkeiten erreichen könnte. Ende 1926 sind die Big Twins und die Baby Buzz auf jedem Wettbewerb anzutreffen.
(Abb. rechts: Johnson P-30 Big Twin, 6 hp, Bj. 1926. Bildquelle: » AOMCI Special Feature, April 1969)
1926 beginnen auch die ersten » Outboard-Marathons. Einer der frühesten Wettbewerbe (New York - Bear Mountain - New York) führt über eine Distanz von 71 Meilen (114,3 km). Sieger wird Vic Withstandly mit einem 16-Fuß-Hydroplane und Johnson Big Twin 6 hp, der die Strecke in 4 Stunden und 46 Minuten zurück legt. Das entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 24 km/h.
Die Mitglieder der "Poor Men's Yacht Clubs" zeigen sich deutlich experimentierfreudiger als ihre "Big Buck Inboarder"-Kollegen, denn Modifikationen der einfachen Außenborder-Bootsrümpfe kosten nur wenig Geld. Um höhere Geschwindigkeiten zu erreichen, muss eine neue Bootsform gefunden werden: die » Flatbottoms bekommen Konkurrenz durch gestufte Bootsrümpfe, die ersten » Single Steps werden entwickelt. Durch ihren reduzierten Rumpfwiderstand sind sie den Flatbottoms überlegen. Damit ist die » Rekordjagd nach immer höheren Geschwindigkeiten eröffnet: 1926 erreicht ein Single Step mit 6-PS-Johnson Big Twin bereits 22 mph (35,4 km/h). Und 1927 setzt Julius Herbst mit dem neuen 8-PS-Johnson P-35 Big Twin am Heck seines Bootes "Kayo II" mit 32,32 mph (52,01 km/h) einen neuen Meilenstein in der Renngeschichte.
Diese frühen Außenborder-Rennboote werden noch per » Tiller gesteuert. Es gibt keine Cockpits, in denen der Fahrer kniet, den Motor per Steuerrad und Seilzügen lenkt und einen Bowdenzug-Gasgriff bedient. Statt dessen sitzt der Fahrer hinten im Boot, die eine Hand am Tiller, mit der anderen reguliert er die Geschwindigkeit über einen kleinen Gashebel an der Vorderseite des Motors. Dass in einer solch "labilen" Position Geschwindigkeiten von über 50 km/h erreicht wurden, erscheint heute nahezu unglaublich.
Die Rekordjagd bringt auch die Motorenentwicklung in Schwung, denn die Hersteller haben längst gemerkt, wie wichtig Rennerfolge für ihre Verkaufszahlen sind. 1927 führt Evinrude den "Speeditwin" (8 PS) ein, 1928 erscheint sowohl der ELTO "Speedster" (7 PS) als auch der leistungsstarke ELTO "Quad" (18 PS, 40 c.i.) auf dem Motorenmarkt. Dieser erste Vierzylinder-Außenborder setzt neue Maßstäbe: der Geschwindigkeitsrekord wird 1928 von Eldon Travers mit der ELTO Quad-betriebenen "Spirit of Peoria" auf 41,748 mph (67,19 km/h) erhöht. Sein Boot ist ein 12-Fuß Class-D Boyd-Martin "Bullet Junior". Der ELTO Quad wird zur Legende - er schlägt alle anderen Antriebe auf dem Markt. In diesem Jahr verkauft ELTO über 10.000 Motoren. Trotzdem bleibt Johnson der populärste Hersteller - mit über 20.000 verkauften Einheiten.
(Abb. links: Johnson TR-40 "Giant Twin", 25.75 PS bei 3.500 U/min. Mit seinen 50 ci Hubraum (820 ccm) ist es der grösste jemals gebaute Zweizylinder-Außenborder. Trotz seiner imposanten Abmessungen wiegt er lediglich 110 lbs (49.9 kg). Bildquelle: » www.quincylooperracing.us, Mark Suter Collection)
Johnson reagiert sofort auf diese Entwicklung, indem der Big Twin P-40 (1928) eine Leistungssteigerung auf über 13 PS erfährt. Gleichzeitig führt Johnson mit den neuen "-R"-Motoren ("Racing") spezielle Renntriebwerke ein: den KR-40 (Class B, 11 PS), den PR-40 (Class C, 16 PS) und den TR-40 "Giant Twin" (Class E, 25.75 PS). Der "Horsepower War", das Rennen um die leistungsstärksten Motoren, hat begonnen.
1928 ist auch die Geburtsstunde eines der legendärsten Outboard-Rennen aller Zeiten: der Albany to New York Marathon, der fortan jährlich im April ausgetragen wird, führt über eine Distanz von 125 Meilen den Hudson River entlang. Das Rennkommitee geht beim Start der 15 teilnehmenden Boote davon aus, dass die Fahrer mindestens 12 Stunden für die Strecke nach New York benötigen werden. 4 Stunden und 44 Minuten später erreicht Kirk Amos in seiner "Baby Whale" das Ziel - mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 29.7 mph (47.8 km/h).
Die APBA ändert nun ihr Regelwerk für Außenbordrennen. Es werden zwei Divisionen eingeführt: Division I für Amateure, Division II für die "free-for-all"-Klassen. Gleichzeitig werden die Motorenklassen neu eingeteilt:
Class A: bis 14 ci = bis 250 ccm
Class B: bis 20 ci = bis 350 ccm
Class C: bis 30 ci = bis 500 ccm
Class D: bis 40 ci = bis 650 ccm
Class E: bis 50 ci = bis 850 ccm
Class F: bis 60 ci = bis 1000 ccm
(Abb. rechts: seiner Zeit voraus ist dieses Single Step von 1928. Es ist bereits mit einem Steuerrad ausgerüstet. Die Seilzüge führen jedoch direkt an den Tiller, der Motor hat noch keine » Steering Bar. Auch die » Safety Throttle ist noch nicht eingeführt - der Fahrer muss nach hinten an den Lockwood "Ace" greifen, um Gas zu geben. Bildquelle: Antique Boat Museum's Evinrude Collection, abgebildet in » Peter Hunn / The Golden Age of the Racing Outboard)
1929 - 1931: Die Motorenhersteller als Wettbewerbs-Sponsoren
Ende der 20er Jahre haben alle großen Motorenhersteller spezielle » Rennmotoren in ihrem Lieferprogamm. Diese hochgezüchteten Evinrudes, Eltos, Cailles und Johnsons sind aufwändig gefertigt, handpoliert und oftmals auch recht empfindlich. Einzig für den Zweck gebaut, um in Rennen hohe Geschwindigkeiten zu erzielen, sind sie mit ihren hohen Drehzahlen und fehlendem Leerlauf- / Rückwärtsgang für normale, nicht-gleitende Alltagsboote gleichermaßen unpraktisch wie uneffizient.
Die stärkeren Motoren verlangen nach neuen Bootsrümpfen. H.G. Ferguson (Spitzname "The Californian Blue Streak") ist einer der experimentierfreudigsten Bootsentwickler dieser Zeit. Er entwickelt ein revolutionäres Outboard-Hydroplane, das mit zwei seitlichen Kufen ausgestattet ist. Der "Tunnel" zwischen diesen Kufen fängt den Fahrtwind und verleiht dem Boot aerodynamischen Auftrieb. In Fahrt berührt dieser Rumpf das Wasser nur noch an drei Punkten: er gleitet auf den beiden Kufenenden und dem hinteren Teil des Rumpfes. Es ist die Geburtsstunde des ersten » Dreipunkt-Hydros. Diese Rumpfform ist während der nächsten 30 Jahre typisch für die schnellsten Boote der Welt.
(Abb. links: wie revolutionär das Design der "Blue Streak" ist, zeigt der direkte Vergleich mit der "British Maid", die nur zwei Jahre zuvor das erfolgreichste Außenbord-Rennboot in England ist. Bildquelle: » Kevin Desmond / A Century of Outboard Racing)
Ferguson ist im Jahr 1929 unschlagbar: mit seiner Blue Streak und dem flammneuen Johnson VR-45 (40 ci Class-D Vierzylinder, 32 PS) am Heck erzielt er einen Weltrekord nach dem anderen. Bei seiner ersten Rekordfahrt erreicht er 47.728 mph (76.81 km/h) und bis Ende des Jahres steigert er sich bis auf 49.45 mph (79.58 km/h). Damit ist der Outboard-Weltrekord in nur vier Jahren von 16 mph auf knapp 50 mph angestiegen.
Gleichzeitig mit dem VR-45 stellt Johnson auch den neuen SR-45 vor, ein Zweizylinder Class-B-Rennmotor mit 16 PS Leistung aus 20 ci Hubraum. Der doppelt so große VR-45 Vierzylinder besteht aus zwei übereinander angeordneten SR-45 Motoren. Als Konkurrenz bringt Lockwood den Class-B-Rennmotor "92 BR Racing Chief" heraus. Obwohl der Hersteller große Hoffnungen in diesen Doppelvergaser-Antrieb setzt, ist er mit seinen einfachen Gleitlagern und der breiten » Lower Unit dem Johnson SR deutlich unterlegen.
Die Motorenhersteller verschärfen den Wettkampf um Spitzenpositionen in den Rennen, indem sie "factory teams" aufstellen und talentierte Einzelfahrer sponsoren. Wettbewerbsfahrer erhalten neue Rennmotoren, noch bevor sie im Handel erhältlich sind. Die Sieger werden zu bekannten und gefeierten "Racing Stars". Um die Leistung und Drehzahl ihrer Antriebe weiter zu steigern, beginnen die Fahrer, mit speziellen » Alkohol-Kraftstoffen zu experimentieren. Dies trägt den Motoren die Bezeichnung "Alkies" ein. Statt der bisher üblichen Benzin-Öl-Abgase liegt nun der süssliche Duft verbrannten Methanols über den Rennstrecken.
1929 ist auch die Geburtsstunde der "National Outboard Association" (NOA), die neben der » APBA der zweitgrösste Dachverband für Outboardrennen in den USA wird. Die NOA führt eigene Rennregeln und Rennklassen ein, die jedoch in weiten Teilen den APBA-Regeln entsprechen. Im gleichen Jahr trägt die APBA die ersten "Outboard Nationals" aus, ein jährlicher Landeswettbewerb, an dem sich Fahrer aus der ganzen USA beteiligen. Das Outboard-Fieber hat einen ersten Höhepunkt erreicht und ein Ende scheint nicht absehbar. Aber am 24. Oktober 1929 (» "Black Thursday") kommt es zu einem Einsturz der Börsenkurse, welcher die Weltwirtschaftskrise einleitet und in den folgenden Jahren schwere Auswirkungen auf die Motorenhersteller haben wird.
1930: ELTO, Evinrude und Lockwood werden in der Firma OMC zusammen gefasst
Der OMC 4-60 erscheint, macht über 2 Jahrzehnte Geschichte. Steuerrad und Remote Throttle sind üblich
1931: Johnson KR als erster Zweizylinder Reihenmotor ("alternate firing twin"), bisher nur Boxer ("opposed twin")
Die schlechter werdende Wirtschaftslage zwingt die Hersteller, ihre Ausgaben für Outboard-Rennen und Sponsoring drastisch zu reduzieren
(Abb. rechts: Johnson Sea-Horse XR55, 50 cu.in. / 820 ccm, 4-Zylinder, Baujahr 1931. Dieser hoch potente Rennmotor übertraf sogar noch den 10 ci grösseren Elto 4-60. Wegen seiner schwachen Kurbelwelle kam ein Boot mit diesem Motor aber nur selten bis ins Ziel. Bildquelle: http://www.quincylooperracing.us, Sammlung Mark Suter.)
1932 - 1935: Die Weltwirtschaftskrise und das große Firmensterben
...folgt...
1935 wurde mit einem 61 cu.in. Elto 4-60 "X-Type" Außenborder bereits knapp 70 mph (112,6 km/h) erreicht.
Um zu verdeutlichen, was eine Geschwindigkeit von 70 mph (112,6 km/h) auf dem Wasser Mitte der 30er Jahre bedeutete, sei folgender Vergleich genannt:
Der 1935er Mercedes-Benz 150 Sport-Roadster - damals eins der schnellsten Straßenfahrzeuge der Welt - war bei einer Höchstgeschwindigkeit von 125 km/h kaum schneller als ein kleiner Outboard Racer mit dem Elto 4-60.
(Abb. links: Mercedes-Benz 150 Sport-Roadster, Bildquelle: http://www.autosieger.de)
1936 - 1941: Die goldene OMC-Ära
...folgt... ab 1939 erste Dreipunkter...
1942 - 1946: Die Auszeit während des zweiten Weltkriegs
Der Outboard-Racing-Sport ist seit seinen Anfängen einem relativ kleinen Kreis von Spezialisten vorbehalten. Die Fahrer müssen über das entsprechende Geld verfügen, um die speziell gefertigten Rennmotoren und den teuren Spezialsprit bezahlen zu können. Außerdem müssen sie über jahrelange Rennerfahrung und eine ausgereifte Fahrtechnik verfügen. Und nicht zuletzt müssen sie auch noch sehr gute Mechaniker sein, um ihre empfindlichen Renntriebwerke warten und tunen zu können.
Anfang der 40er Jahre erreicht der zweite Weltkrieg auch Amerika. Viele der aktiven Rennfahrer werden zum Militärdienst eingezogen, Aluminium (notwendig für den Bau der Motorblöcke) und Benzin werden streng rationiert. Die Rennveranstaltungen werden eingestellt und die Motorenhersteller produzieren nun für das Militär. Die Zweitaktmotoren werden für Landungsboote der amerikanischen Navy und für Feuerlöschpumpen auf großen Kriegsschiffen und Flugzeugträgern benötigt.
...wird fortgesetzt...
1947 - 1949: Die Pioniere des "Stock Racing"
Als nach dem Ende des Kriegs die ersten amerikanischen Rennveranstaltungen ins Leben gerufen werden, stehen die Rennfahrer vor einem echten Problem: es gibt keinen Hersteller mehr, der Rennmotoren fertigt. Die großen Motorenhersteller haben die Produktion der aufwändigen und teuren Renntriebwerke zugunsten einfacher und gut verkäuflicher Allround-Außenborder eingestellt. Auch die noch vorhandenen Vorkriegs-Rennmotoren können kaum weiter verwendet werden: schon seit 1942 gibt es keinerlei Ersatzteile mehr für diese empfindlichen und verschleissfreudigen Triebwerke. Es kommt zu einer » Versorgungskrise, die von vielen Kritikern bereits als das Ende des Outboard-Racings angesehen wird.
Aber die Fahrer wissen sich zu helfen. Nach dem Krieg sind viele Zweitakter aus Armeebeständen verfügbar und dienen der Rennszene als Ersatzteilspender. Die Evinrude-Outboarder der Navy-Landungsboote sind z.B. nahezu identisch mit den ehemaligen Evinrude 4-60 Rennmotoren. Fahrer mit besonderen mechanischen Fähigkeiten beginnen darüber hinaus, die Einzelteile der Vorkriegs-Rennmotoren zu kopieren und zu verbessern. Sie erstellen eigene Formen und beginnen, Kurbelgehäsue und Zylinderköpfe selber zu giessen. Einige Jahre später sind bereits wieder so viele verschiedene Einzelteile verfügbar, dass sich jeder Fahrer seinen eigenen Rennmotor für jede beliebige Klasse selber aufbauen kann. Und als Evinrude gegen Ende der 40er Jahre die Muster seiner ehemaligen Rennmotoren zum Nachbau freigibt, entstehen schnell kleine Spezialfirmen, die bald darauf komplette Renntriebwerke liefern können.
Darüber hinaus beginnt Ende der 40er Jahre aber ganz überraschend noch eine völlig andere Entwicklung. Inoffiziell - und im Profilager fast unbemerkt - entsteht eine völlig neue Outboard-Rennszene: Amateure beginnen, mit seriennmässigen Motoren und einfachen Runabouts "Outlaw-Rennen" zu veranstalten. Das ist die Geburtsstunde des "Stock Outboard"-Gedankens, der den USA in den folgenden Jahren einen sensationellen Outboard-Rennboom bescheren wird.
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