Prolog
USA, Kalifornien, Venice, 3964 Redwood Avenue. Wir schreiben das Jahr 1926. In einer Hinterhofwerkstatt sägt ein Mann Kiefernleisten zurecht. Um ihn herum springen seine beiden kleinen Söhne - kaum zu bändigen und wie der sprichwörtliche Sack Flöhe.
„John - Bill - Ralph!! Abendessen ist fertig - schallt es aus der Küche neben der Werkstatt. Nur ungern folgen die drei der Aufforderung der Mutter - der Geruch von frisch gesägter Kiefer ist einfach zu stark.
Quelle: DeSilva private collection
John - das ist der Zimmermann und Bootsbauer John de Silva mit seinen Söhnen Ralph und Bill, die zwanzig Jahre später für lange Zeit die Outboard-Szene an der gesamten Westküste der USA dominieren werden. Mehr Racer als die Brüder DeSilva baut niemand - weder vorher noch danach.
Zeitsprung:
Anfang 2010, ich durchsuche wieder einmal das Web nach interessanten Racern. Da bekomme ich von Tschakaa einen Bildlink zugesandt:
Johnny Cash, auf einem Outboardracer?? Das ist Anlass genug, eine umfassende Recherche zu starten und einzutauchen in die Geschichte der „Ring of Fire“
Quelle: The word of boatracing
Die Fakten: Anfang der 50er Jahre lernen sich in Tennessee drei junge Männer kennen: Luther Perkins, Johnny Cash und Marshall Grant. Nach Feierabend spielen sie Gitarre, nennen sich die Tennessee Three und touren durch die Clubs und Radiostationen rund um Memphis. Ihren Durchbruch haben sie mit „I walk the line“ im Jahr 1956, dann folgt 1963 der wohl größte Hit der Drei - „Ring of Fire“, und damit auch der immense finanzielle Erfolg.
Marshall Grant, Bassist, Tourmanager und wohl der beste Freund Johnny Cashs, baut in dieser Zeit einen eigenen Rennstall auf, benutzt die stärksten Motoren, verpflichtet die besten Fahrer die er bekommen kann und kauft im Laufe der Jahre viele Boote - die besten, von Ralph und Bill DeSilva. Drei davon bekommen den Namen „Ring of Fire“: die I, dann die II und die etwas kleinere „jr“
Quelle: quincylooperracing.com
Mein Entschluss steht fest - die will ich bauen, natürlich als 152er Modell, d.h. ich brauche Originalunterlagen oder die Vermessung eines dieser Boote. Was folgt ist eine lange Suche im Web, in amerikanischen Archiven, sämtlichen Foren und privaten Kontakten aus der Szene, die aber allesamt abwinken. „Pläne? Von DeSilva? Das kannst du vergessen“. Dann weiß ich, dass es bei diesen professionell gebauten Racern keinerlei Unterlagen gibt. Die Boote wurden gebaut nach Templates, individuell angepasst an die jeweiligen Kundenwünsche, und Pläne gab es nicht, denn abgekupfert wurde auch so genug.
Dann, kurz nach der zweiten 152VO Competition 2013 an der Bigge, bekomme ich durch Zufall heraus, dass Ralph DeSilva, mittlerweile stolze 93 Jahre alt, in einem kleinen Ort in Georgia lebt. Zusammen mit seinem Bruder Bill, der im Oktober 1998 einem Herzinfarkt erlag, war er von Kalifornien dorthin gezogen und beschäftigt sich bis heute mit Bootskonstruktionen.
Nun hatte ich plötzlich eine Adresse und eine Telefonnummer. Ich setze mich also mit Ralph DeSilva in Verbindung, sende ihm ein Fotoalbum von unserem 152VO Treffen und äußerte beiläufig, wie schwierig es sei, eines seiner Boote nachzubauen. Und dann, im März 2014, bringt der freundliche Briefträger eine Sendung aus Georgia - eine Papprolle vom „Godfather of Outboard Racern persönlich. Ich öffne die Röhre und traue meinen Augen kaum: Ralph DeSilva hat mir einen Brief geschrieben, ganz klassisch, auf einer mechanischen Schreibmaschine die wohl schon bessere Tage gesehen hat. Dann die Sensation: er hat zu Lineal und Bleistift gegriffen und „a little drawing“ angefertigt für ein 13ft Runabout, dazu detaillierte Angaben über eingesetzte Turnfin(s) mit Größe und Position, Bautipps, Maße etc.
Dieses Boot ist sein Entwurf aus dem Jahre 1954, den er unverändert bis 1974 gebaut hat, und der bis heute mit 93mph den Weltrekord in seiner Klasse hält. Das ist eine unglaublich lange Zeit für einen Racer aus den 50ern und eindrucksvoller Beweis seiner Leistungsfähigkeit.
Quelle: World of Boatracing
Die Zeichnung mit Seitenan- und Aufsicht nebst fünf Schattenrissen ist angefertigt im Inch Maßstab 1ft = 1 inch. Das Umrechnen ist einfach, ein hochauflösender Scan schnell angefertigt, und ein Ausdruck auf DIN A0 aus dem Copyshop hängt innerhalb kurzer Zeit an der Wand, direkt über meinem Monitor. Was folgt sind nicht Stunden sondern Tage und Wochen des Rätselratens, dann des Verstehens und Begreifens, was Ralph DeSilva sich beim Design gedacht hat. Langsam entsteht in meinem Kopf ein Plan, wie ich dieses „Flat Deck Runabout“ als Modell realisiere.
Uns so startet wieder ein Projekt an dem mehrere User beteiligt sind. Ich zeichne und baue den ersten Prototyp, konstruktiv so einfach wie möglich gehalten, weil die Ring of Fire später zum Nachbau optimiert werden soll. Danach baut B-Andy einen zweiten Prototyp, diesmal mit dem Blick auf mögliche Gewichtseinsparungen. Denn schnell wird klar: das Boot wird mit knapp77cm kein VO sondern eine waschechte VX, mit einem Deck, auf dem eine Skua Platz nehmen kann – ganze 43cm ab Lenkrad!! Deshalb kann die Devise nur heißen: alles Gewicht nach hinten, und vorn ist Leichtbau angesagt.
Damit kommt dann der Dritte ins Spiel, denn Rainer bringt das Ganze nun im Computer zusammen und wir diskutieren eins ums andere Mal bis tief in die Nacht.
Ich habe vom Bau des Prototyps nur wenige Bilder, weil die finale Dokumentation und die dazugehörige Anleitung erst nach Fertigstellung des Entwurfs erstellt wird.
Aber so fing es an: